Jahrestagung 2021


Kompetenzen bündeln

– für ein patientenorientiertes Gesundheitswesen in NRW


Dortmund, 01.10.2021. Wir, die Patientenbeteiligung NRW haben in unserer diesjährigen Jahrestagung Anforderungen an ein patientenorientiertes Gesundheitswesen in NRW aufgestellt und diese im hybriden Format mit den Besucher*innen aufgeschlüsselt ,diskutiert und benannt. Dieses Thema war Schwerpunkt unserer diesjährigen Fachtagung.

Herzlich Willkommen zur Jahrestagung 2021

Am 01.10.2021 veranstalteten wir, die Patientenbeteiligung NRW, unsere alljährliche Jahrestagung. Dieses Jahr im hybriden Format um auf alle Situationen rund um das Coronavirus auch kurzfristig gewappnet zu sein und um den Besuchern*innen in der Zeit der Pandemie eine Teilnahme so angenehm wie möglich zu gestalten.

Vormittags konnten die Besucher*innen virtuell an vier verschiedenen Workshops teilnehmen, die über Zoom stattgefunden haben. In diesen Workshops wurden Anforderungen an eine gute Patientenbeteiligung diskutiert, über gemeinwohlorientierte Daseinsvorsoge gesprochen, Gesundheitskompetenz genauer unter die Lupe genommen und die Selbsthilfefreundlichkeit im Gesundheitswesen aufgeschlüsselt. Den Teilnehmer*innen stand es offen ob sie nachmittags vor Ort oder online via Live-Stream an der Podiumsdiskussion teilnehmen wollten. 

Nach den Online-Workshops am Morgen reisten einige der Besucher*innen in der 3-stündigen Pause nach Dortmund in das Reinoldinum an, um vor Ort an der nachfolgenden Podiumsdiskussion teilzunehmen. Die anderen Teilnehmern*innen verfolgten die Podiumsdiskussion über den Live-Stream inklusive Chat-Funktion über die Plattform Vimeo.

Sabine Schipper eröffnete die Podiumsdiskussion mit einer ersten Anregung zum Thema, gab einen kurzen Überblick über die nachfolgenden Themen und übergab anschließend Gregor Bornes, unserem Projektleiter das Wort. Dieser übermittelte den Gästen der Jahrestagung einen Überblick über die Patientenbeteiligung Nordrhein-Westfalen und das Projekt der Koordinierungs- und Vernetzungsstelle der Patientenbeteiligung.

Um einen genauen Überblick über das Projekt zu bekommen oder den Einstieg der Veranstaltung nachträglich miterleben zu können schauen Sie sich gerne das nachfolgende Video zum Vortrag von Gregor Bornes an:

Die Power-Point Folien des Vortrags von Herrn Gregor Bornes haben wir Ihnen HIER zum download zur Verfügung gestellt.

Nachfolgend ergriff Frau Claudia Middendorf, die Landesbeauftragte für Behinterte und Patienten in Nordrhein-Westfalen, das Wort und erzählte den Teilnehmer*innen etwas über ihre Tätigkeiten.

Wenn Sie der Vortrag von Claudia Middendorf interessiert, dann schauen Sie sich gerne das nachfolgende Video der Veranstaltung an:

Nach den beiden Vorträgen des Projektleiters Gregor Bornes und der Behinterten- und Patientenbeautragten Frau Claudia Middendorf, hatten die Gäste in einer kleinen Pause vor Ort die Möglichkeit sich bei Kaffee und Kuchen auszutauschen und zu vernetzen.

Nach der 15-minütigen Pause eröffnete der Moderator Günter Hölling die Podiumsdiskussion, die mit dem Zusammentrag der Ergebnissen der Workshops am Morgen begonnen hat. Die Themen der Workshops waren:

  • Workshop 1: Anforderung an eine gute Patientenbeteiligung
  • Workshop 2: Gemeinwohlorientierte Daseinsvorsorge
  • Workshop 3: Gesundheitskompetenz
  • Workshop 4: Selbsthilfefreundlichkeit im Gesundheitswesen

 

Der Moderator und der Co-Moderator der jeweiligen Workshops hatten die Aufgabe gemeinsam mit den Teilnehmer*innen Anforderungen zu dem jeweiligen Thema an das Gesundheitswesen zu bennenen.

Nachfolgend können Sie sich die einzelnen Ergebnisse der Workshops als Video ansehen und die dazugehörige PowerPoint-Präsentation downloaden. Oder sich die kurze Zusammenfassung zu den Workshops unter den Videos durchlesen.


Workshop 1: Anforderungen an eine gute Patientenbeteiligung

Zusammenfassung:

In Workshop 1 wurden drei Kernfragen herausgearbeitet:

  1. Wie kommen die Patienten*innen mit den Schwierigkeiten, die sie im System haben z.B. mit dem Krankenhaus, der Krankenkasse zurecht? Wie erfahren wir davon und wie wird dies ausgewertet?
  2. Wie kann man die derzeitige Patientenvertretung verbessern?
  3. Wer vertritt Patienteninteressen legitim?

1) Patienten*innen sollten sich untereinander vernetzen und ihre Erfahrungen miteinander austauschen. Dieser Austausch sollte zurück in System gegeben werden. Die Selbsthilfegruppen spielen dabei eine wichtige Rolle. In diesen sollte generell mehr über Gesundheitspolitik gesprochen werden um sich auch nachhaltig mit der Problematik auseinander zu setzen. Denn die politischen Aktivitäten sollte über die eigene Betroffenheit hinaus gehen. Dies benötigt jedoch dringend Unterstützung.

Es ist sicher, dass eine Anlaufstelle von außen benötigt wird, die die Menschen bestärkt, Kritik erfasst und auswertet. Eine Möglichkeit zur Umsetzung wären zum Beispiel Bürger*innen-Räte.

2) Die Vernetzung muss weiter ausgebaut werden. Eine Möglichkeit um dies zu verbessern wäre eine zentrale Ansprechpersn, die regelmäßig die Reflexion der Patientenvertretung sucht und immer auf dem aktuellen Stand ist. Ebenso sollte der Sekundärnutzen von dem Wissen der Patientenvertreter*innen genutzt werden um mehr ehrenamtliche Patientenvertreter*innen anzuregen mitzumischen. Desweiteren muss die Patientenbeteiligung mehr Bekanntheit erlangen. Dies könnte durch einen aktiven Schritt auf die Multiplikatoren und Verbände geschenen. Ziel sollte es sein die Verbände und Gruppen für eine Sichtweise zu sensibilisieren, die unterscheidet ob die erfahrenen Schwierigkeiten Probleme von Einzelnen oder Krankheitsspezifisch sind oder doch systematische Ursachen haben.

3) Es ist notwendig, die Erfahrungen auszutauschen und auszuwerten. Es nutzt nichts, wenn Einzelpersonen in Gremien sitzen und darüber wird nicht gesprochen. Austausch und Diskussion ist wichtig und sollten vertieft werden. Gute Strukturen zwischen den Patientenvertretern*innen sind wichtig, da es hohe Anforderungen an Vertreter*innen gibt.

HIER geht es zu den Vortragsfolien des Workshop 1.

Workshop 2: Gemeinwohlorientierte Daseinsvorsorge

Zusammenfassung:

Vor allem für immobile Menschen ist es wichtig, dass Hausärzte Hausbesuche machen. Diese Hausbesuche müssen für Ärzte attraktiver gemacht werden.

Im Bereich der Krankenkassen soll die Verjährungsfrist bei Schlichtungsverfahren mit den Krankenkassen länger als 5 Jahre sein, da die Diagnosephase oft länger dauert.

Des Weiteren sollen Patientenrechte auch in Pademiezeiten gestärkt werden. Die Patient*innen und Beschäftigte im Gesundheitssystem sollten im Mittelpunkt stehen. Angefangen bei dem Pflegenotstand bis hin zu den Interessen der Patienten*innen. Vielleicht müssen, um dem Pflegenotstand entgegen zu wirken, die Ausbildungsangebote erhöht und die Arbeitskräfte von woanders angeworben werden.

Bei der Gemeinwohlorientierung ist die Barrierefreiheit der Gesundheitsversorgung wichtig. Die Gesundheitsversorgung muss für alle zugänglich und nutzbar sein. Sowohl im ambulanten als auch im stationären Bereich.

Die Telemedizin könnte weiter ausgebaut werden. Hier könnte die Barrierefreiheit schneller geschaffen werden und zu einem gemeinwohlorientierten Gesundheitswesen beitragen

Ebenso soll sich die Landesregierung an der Bundesratsinitiative zur Abschaffung der Fallpauschalen beteiligt werden.

HIER geht es zu den Vortragsfolien des Workshop 2.

Workshop 3: Gesundheitskompetenz

Zusammenfassung:

Natürlich brauchen wir gute Gesundheitskompetenz, denn es geht um uns. Um uns und unsere Gesundheit. Dabei ist ganz wichtig: Der/Die Patientin hat recht/Recht! Niemand weißt besser als ich selbst was ich brauche und mir gut tut.

Im Großen und Ganzen sollten wir für mehr Empowerment sorgen. Also die Menschen befähigen sich für ihre eigenen Bedürfnisse einzusetzen.

Was trägt dazu bei?

  • Digitale Kompetenz ist wichtig, vor allem jetzt nach der Pandemie.
  • Die Patienten- Rechte sollten wir kennen und das Wissen darüber fördern.
  • Kultursensibel sollten wir sein, Menschen müssen verstehen, wie es um sie steht.
  • Ehrenamt und Hauptamt müssen vernetzt werden.
  • Größere Öffentlichkeit wie z.B. durch Gesundheitserziehung in den Schulen muss gefördert werden. Aber auch sollten die Ärzte geschult werden. Die Medizinausbildung muss näher am Patientengeschehen und die Selbsthilfe miteingebunden werden.
  • Ebenso sollten wir die Akteure auf dem Gesundheitsmarkt kennen.
  • Natürlich spielt die Mehrsprachigkeit eine große Rolle und darf nicht vernachlässigt werden. Eine Patienten*innen-Handreichung könnte da förderlich sein. Auch die Fachsprache und Digitalisierung sollten beachtet werden.

HIER geht es zu den Vortragsfolien des Workshop 3.

Workshop 4: Selbsthilfefreundlichkeit im Gesundheitswesen

[Video folgt]

Zusammenfassung:

Brauchen wir nicht mehr professionelles Personal in den Einrichtungen? Es sind nur 3% in der Selbsthilfe organisiert, wie wird Selbsthilfe gesehen? Braucht es andere Ansätze?

  • Selbsthilfe sollte nicht mit Professionellen ausgespielt werden. Es braucht Selbsthilfe und Hauptamt. Den Blick auf die gemeinschaftliche Selbsthilfe zu behalten ist dabei wichtig und auch die Wertschätzung für Kleingruppen entgegenbringen.
  • Selbsthilfe ist kein Haufen, der Kaffeklatsch macht. Selbsthilfe sollte sich nicht untereinander ausspielen, es gibt berechtigt kleine und große Selbsthilfegruppen/ -organisationen.
  • Es ist trotzdem klar, dass Selbsthilfe nicht ausreichend bekannt ist. Selbsthilfe sollte in die Lehre eingebracht werden und Schulungen für Ärzte angeboten werden.
  • Jeder Mensch hat ein Recht auf ein Arztgespräch. Der Arzt sollte in Kontakt gehen, das Gespräch mit mir soll auch ordentlich abrechenbar sein.
  • Ebenso ist es wichtig, dass der Arzt mit den Selbsthilfegruppen in Kontakt tritt.
  • Alle Indikationen zu chronischen Erkrankungen sollten im DMP Weise versorgt werden.
  • Selbsthilfe ist systemrelevant, das sollte auch gelebt werden.
  • Die pflegenden Angehörigen sollen Berücksichtigung werden und Entlastung finden.
  • Wie geht es Kindern in der Pandemie? Es gibt Befürchtungen, dass hier einiges auf uns zukommt.
  • Gesetzliche Betreuer haben zu wenig Zeit für ihre Aufgabe.

Frage: Welche Chancen habe ich, um in diesem System nicht verloren zu gehen?

HIER geht es zu den Vortragsfolien des Workshop 4.


Nach den vier Ergebnisvorträgen der Workshops blieben noch einige Publikumsfragen zurück, die der Moderator Günter Hölling, mit Hilfe der Referenten*innen beantwortete. Zum Schluss leitete er zu einer abschließenden Diskussion der Referenten über, bei der er versuchte die Anforderungen an ein patientenorienteirtes Gesundheitswesen für Nordrhein-Westfalen herauszufiltern. Er leitete zu dem Kern der Fachtagung über:

Was sind nun unsere Anforderungen an ein patientenorientiertes Gesundheitswesen in NRW?

Die Kernaussagen sind wie folgt:

  • Die Würde des Menschen ist am Wichtigsten und hat oberste Priorität
  • Der/Die Patientin hat recht/Recht
  • Umwelt sollte als Gesundheitsfaktor gesehen werden
  • Zusammenarbeit zwischen Land und Menschen ist wünschenswert
  • Beschäftigtenwohl ist gleich Patientenwohl – beides muss unterstützt und gestärkt werden
  • Dem Pflegenotstand entgegen wirken und dabei die Angehörigen im Blick behalten
  • Ausbau der Barrierefreiheit, sowohl im ambulanten als auch im stationären Bereich
  • Gelder sind nötig, um die Strukturen der Patientenbeteiligung aufrecht zu erhalten
  • Strukturen, Selbstbewusstsein und Aktivitäten der Patientenbeteiligung stärken umso Beteiligung anzuregen
  • Fürs Ehrenamt einsetzen, um so eine aktive Bürgergesellschaft zu schaffen
  • Stärkere Regionalität organisieren
  • Behindertenbeirat in den Kommunen schaffen
  • Patientenberatung ist wichtig und soll wieder aufgebaut bzw. stärker ausgebaut werden
  • Medizinausbildung soll näher am Patienten geschehen
  • Ärzte brauchen Zeit, um angemessen auf den Patienten und seine individuellen Bedürfnisse einzugehen
  • Fachgespräche und Arztbriefe sollen auch in leichter Sprache verfügbar sein
  • Hausbesuche für Hausärzte attraktiver machen
  • Krankenkassen sollen Patienten in die Selbsthilfe begleiten und zur Seite stehen
  • Selbsthilfe soll in die Lehre gebracht werden
  • Stärkung der Selbsthilfe auch in die Politik, Krankenkassen, etc.
  • Apotheken sollen in das System der ambulanten Versorgung und Selbsthilfe stärker einbezogen werden
  • Kultursensibilität ist wichtig
  • Telemedizin weiter ausbauen
  • Verjährungsfrist bei Schlichtungsverfahren mit den Krankenkassen soll länger als 5 Jahre sein, da die Diagnosezeit oft länger dauert
 

Diese und viele weitere Anforderungen wurden abschließend während der Jahrestagung 2021 der Patientenbeteiligung NRW im Reinoldinum im Dortmund zusammengefasst.

Insgesamt fand ein reger Austausch, sowohl vor Ort als auch online statt. Die Besucher*innen, die virtuell an der Podiumsdiskussion via Live-Stream teilnahmen, hatten die Möglichkeit über den Live-Chat Fragen an das Podium zu stellen. Somit wurden alle Besucher*innen sowohl vor Ort als auch online abgeholt und auf alle Fragen eingegangen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Jahrestagung 2021 im hybriden Format ein voller Erfolg war. Das Feedback der Teilnehmer*innen war sehr gut und hat uns positiv gestimmt, dass wir vielleicht auch im nächsten Jahr eine hybride Veranstaltung anbieten werden.